- Friedensnobelpreis 1931: Jane Addams — Nicholas Murray Butler
- Friedensnobelpreis 1931: Jane Addams — Nicholas Murray ButlerJane Addams erhielt den Preis für ihre langjährige Arbeit in internationalen Friedensorganisationen, Butler für sein Wirken als Präsident der Carnegie-Stiftung.BiografienJane Addams, * Cedarville (Illinois) 6. 9. 1860, ✝ Chicago 21. 5. 1935; 1889-1935 Leiterin einer Sozialstation, Chicago, 1915 Präsidentin der Women's Peace Party und des Internationalen Frauenkomitees für dauerhaften Frieden, 1919-29 Präsidentin der Women's International League for Peace and Freedom.Nicholas Murray Butler, * Elizabeth (New Jersey) 2. 4. 1862, ✝ New York 7. 12. 1947; 1890 Professor für Philosophie und 1895 für Pädagogik an der Columbia University (New York), 1902-45 Präsident Columbia University, 1907 Präsident der Gesellschaft für internationale Verständigung, 1925 Präsident der Carnegie-Stiftung für internationalen Frieden.Würdigung der preisgekrönten LeistungMit der Amerikanerin Jane Addams wurde zum ersten Mal nach Bertha von Suttner (Nobelpreis 1905) eine Frau mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Berühmtheit hatte sie in ihrer Heimat zunächst als eine engagierte Kämpferin für sozial benachteiligte Menschen erlangt. Aus einer wohlhabenden Familie stammend, gründete sie 1889 das Hull-House in Chicago. In dieser Sozialstation fanden vor allem arme Einwanderer eine Stätte der Ausbildung und der Begegnung. Zur Pazifistin wurde Jane Addams, als 1898 ein Krieg zwischen den USA und Spanien ausbrach. Mit Befremden registrierte sie die Begeisterung, die der Krieg in Amerika auslöste. Nach ihrer Meinung wirkte sich bei der offenkundigen Neigung des Menschen zum Krieg ein Urtrieb aus, den es ins Positive umzuleiten galt. Hoffnung schöpfte sie dabei aus dem friedlichen Zusammenleben der Angehörigen verschiedenster Nationen in ihrem Hull House.Mit den Frauen für den FriedenBesondere Hoffnungen setzte Jane Addams jedoch in die Frauen, die sie von Natur aus für friedfertiger hielt. Als 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach, stellte sie sich an die Spitze der neu gegründeten Women's Peace Party (Friedenspartei der Frauen), die sich für die sofortige Beendigung des Kriegs einsetzte. 1915 organisierte Jane Addams einen internationalen Frauenkongress in Den Haag. Über 1000 Teilnehmerinnen aus 12 Ländern versammelten sich und erörterten die Möglichkeiten, ein Ende des Kriegs herbeizuführen. Daraus ergab sich die Gründung eines Internationalen Frauenkomitees für einen dauerhaften Frieden, zu dessen Präsidentin Jane Addams gewählt wurde. Es wurde vereinbart, sowohl mit den Regierungen der Krieg führenden Staaten als auch mit den neutralen Ländern in Kontakt zu treten und für Frieden zu werben. All ihren Bemühungen zum Trotz mussten Jane Addams und ihre Mitstreiterinnen erleben, wie 1917 auch die USA in den Krieg eintraten. Weil dieser Krieg in den USA eine große Popularität genoss, geriet Jane Addams mit ihren Friedensbotschaften mehr und mehr ins Abseits und musste sich von ihren Landsleuten sogar als Verräterin an den Interessen Amerikas kritisieren lassen.Dennoch blieb sie ihren pazifistischen Idealen treu. Addams wurde 1919 Präsidentin der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit mit Sitz in Zürich. Der Forderungskatalog der Liga umfasste den Verzicht auf Gewalt in den zwischenstaatlichen Beziehungen, die weltweite Abschaffung der Wehrpflicht und allgemeine Abrüstung. Jane Addams reiste kurz nach Kriegsende nach Deutschland und unterstützte private Organisationen bei ihren Bemühungen, das Leid der von den Kriegsfolgen betroffenen Zivilbevölkerung zu lindern. Die Auszeichnung mit dem Friedensnobelpreis 1931 war Lohn für ein jahrzehntelanges Engagement für den Frieden und zugleich auch Genugtuung vor dem Hintergrund andauernder Anfeindungen im eigenen Land.Einsatz für den Frieden jenseits politischer ÄmterGanz andere Vorstellungen von der Art und Weise, wie man den Weltfrieden herstellen konnte, hatte der zweite Friedensnobelpreisträger des Jahres 1931. Nicholas Murray Butler war kein Idealist, der an die Verbesserung des Menschen glaubte, sondern ein Pragmatiker, dem es um das Machbare ging. Sein Name ist untrennbar verbunden mit der Columbia University in New York. Hier wurde er mit 28 Jahren Professor für Philosophie, mit 33 Jahren zusätzlich Professor für Pädagogik, und 43 Jahre lang war er Präsident der Columbia University, die unter seiner Leitung zu einer der ersten Adressen in der akademischen Welt wurde.Während Jane Addams den Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg entschieden abgelehnt hatte, sah Butler in diesem Ereignis »einen Krieg für jeden Mann und jede Frau, die hoffen, in Freiheit und in friedlichem Fortschritt zu leben«. Frieden war für Butler kein Wert an sich, sondern ein erstrebenswertes Ziel, um eine wirtschaftlich, geistig und kulturell geeinte Welt zu schaffen. Als Wissenschaftler, Berater amerikanischer Präsidenten und Außenminister verfügte Butler über ein großes Netz von internationalen Kontakten, die seine weltläufige Einstellung förderten.1907 übernahm er die Präsidentschaft der Gesellschaft für internationale Verständigung, die Baron Paul d'Estournelles de Constant (Nobelpreis 1909) ins Leben gerufen hatte. Als Anhänger der Idee der Schiedsgerichtsbarkeit war Butler an den Vorbereitungen für die Einrichtung des Internationalen Schiedshofs in Den Haag beteiligt. Als besonders preiswürdige Leistung wertete das Nobelpreiskomitee, dass es Butler 1910 gelang, den schwerreichen amerikanischen Stahlmagnaten Andrew Carnegie zur Gründung einer Friedensstiftung zu bewegen. Carnegie, in vielen Bereichen karitativ tätig, stattete die Stiftung mit einem Kapital von zehn Millionen Dollar aus. 1925 übernahm Butler als Nachfolger von Elihu Root (Nobelpreis 1912) die Leitung der Stiftung. In dieser Eigenschaft sorgte er für die finanzielle Unterstützung von Friedensgesellschaften und setzte sich für kulturellen Austausch zwischen den Völkern ein.Auch in der »großen Politik« spielte Butler eine Rolle, obwohl er sich stets beharrlich weigerte, Regierungsämter zu übernehmen. Seine Bekanntschaft mit dem französischen Außenminister Aristide Briand (1926) und dessen deutschen Amtskollegen Gustav Stresemann (1926) nutzte er zur Vermittlung im Konflikt zwischen Frankreich und Deutschland und wurde so zu einem der Wegbereiter der Verträge von Locarno (1926). Butler gab auch den Anstoß zum Briand-Kellogg-Pakt (1928), in dem zahlreiche Staaten sich zur Ächtung des Kriegs bekannten.H. Sonnabend
Universal-Lexikon. 2012.